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Stichvorlagen

Die »Vorstufe« zum Druck

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Die Stichvorlagen umfassen quantitativ den größten Anteil im Bestand der Musikhandschriften des Instituts. Sie wurden vielfach von Brahms selbst sorgfältig überarbeitet und begründen dadurch ihren historischen wie editorischen Wert. Bisweilen enthalten sie auch über Detailkorrekturen hinausgehende, umfangreichere autografe Ergänzungen, wie etwa die Beilagen zur Violinfassung der beiden Klarinettensonaten op. 120 oder der im Klavierauszug zum Deutschen Requiem integrierte, nachkomponierte 5. Satz »Ihr habt nun Traurigkeit« zeigen.

Bei der Drucklegung eines Werkes kommt der Stichvorlage eine vermittelnde Funktion zu. Sie steht zwischen Autograf und Erstdruck. Meist vom Kopisten abschriftlich angefertigt, diente sie im Verlag dem Notenstecher als Vorlage zur Herstellung der Druckplatten. Bei Johannes Brahms hat die Stichvorlage im Rahmen der Werkgenese zentrale Bedeutung, da sie häufig als erste Quelle den ›letzten Willen‹ des Komponisten spiegelt. Er hat sie vor dem Druck gründlich revidiert und auch Änderungen eingearbeitet, die im Autograf noch fehlen.

Das Institut bewahrt Stichvorlagen zu ca. 45 Brahms’schen Werken auf, die fast sämtliche Gattungen seines Schaffens umfassen: Orchester- und Chorwerke, Kammermusik und Lieder. Vor allem einem Zufallsfund war es zu danken, dass das Institut heute über einen so reichen Stichvorlagen-Bestand verfügt. Auf dem Dachboden der Schweizer Familie Auckenthaler, Nachfahren des Brahms-Verlegers Fritz Simrock, kam Ende der 1980er Jahre ein Karton ans Licht, der 32 Stichvorlagen zu Werken von Johannes Brahms enthielt. 1990 bereits konnte das wertvolle Konvolut durch die großzügige Unterstützung mehrerer Stiftungen für das Brahms-Institut erworben werden. »Von besonderem Wert ist die aus dem Nachlass von Fritz Simrock stammende Stichvorlage zum ersten Satz der ersten Sinfonie [op. 68], da das Manuskript des Komponisten hierzu verschollen ist. Man nimmt an, dass Brahms selbst es vernichtet haben könnte, um die Spuren der komplizierten Satzgenese – zahlreiche Korrekturen und Umarbeitungen – zu tilgen« (Stefan Weymar im Ausstellungskatalog Johannes Brahms – Zeichen, Bilder, Phantasien, S. 18).

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